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Another me

Ich bin nun seit nicht ganz zwei Tagen wieder zurück im verschlafenen Örtchen Kominato und ich hätte niemals erwartet, dass eine einwöchige Reise so einen großen Einfluss auf meine Person und Emotionalität haben würde.

Um ehrlich zu sein, habe ich mich gefreut, wieder nachhause zurückzukehren. Zurück in den kleinen Ort, in mein kleines Holzhaus, auf dem grünen und blühenden Lande. Die Ruhe war das, was ich am Meisten vermisst habe. Doch seit meiner Ankunft sind einige Dinge passiert, die mich in ein depressives post-Urlaub-Stadium versetzt haben.

 

Zuallererst war da das plötzliche Gefühl von Einsamkeit. Nachdem ich eine Woche lang fast permanent unter Menschen war, fehlte es mir auf einmal wieder. Vor allem das morgens Aufstehen fühlte sich so einsam an. In Osaka habe ich mich daran gewöhnt, mit Hans und Lukas morgens und abends in der Küche zu sitzen und zu schwatzen, was einfach irgendwie nur schön war. Als heute früh der Wecker klingelte, kam ich einfach nicht aus dem Bett, weil mich gefühlt nichts erwartete.

 

Bei meiner gestrigen abendlichen Deutschstunde habe ich meinen Einsatzstellenleiter (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) das erste Mal wieder gesehen. Da vor meiner Abreise zwischen uns noch etwas Negatives vorgefallen ist, konnte ich nun spüren, wie stark es immer noch nachwirkte. Seine passive Aggressivität äußerte sich zunächst darin, dass er mir vorwarf, im Haus zu rauchen, weil es nach Rauch roch. "Hast du immernoch nicht mit dem Rauchen aufgehört? Ich rieche das doch.", sagte er. Da es allerdings wieder warm draußen ist, bin ich lediglich kurz vor meiner Deutschstunde draußen gewesen, um zu rauchen und habe den Gestank offenbar mit reingetragen. "Ich rieche immer nach Rauch", habe ich nur gemurmelt, doch die gesamte Stunde lang hörte er nicht auf, laute Riechgeräusche von sich zu geben.

 

Als eine der Schülerinnen kam, versuchten wir, furchtbar awkward Konversation zu betreiben. Sie fragte mich nach meiner Reise und ich erzählte ihr, wo ich war und dass ich in Kyoto einen Yukata trug. Mein Einsatzstellenleiter (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) warf ein, ob es mir denn stand. Ich erinnerte mich an vorherige Konversationen mit Freunden und sagte: "Die Farbe war nicht so richtig ausgewählt." Er begann, hämisch zu lachen und sagte: "Wie ich's mir dachte! Ausländern steht traditionelle Kleidung wie Kimono und Yukata einfach nicht." Etwas angepisst erwiderte ich: "Das stimmt ja nun so nicht. Ich hatte nur die falsche Farbe an." Woraufhin er meinen Körperumfang mit einbezog: "Solche Frauen wie Eva hier" - sagte er und machte eine Bewegung, um meinen leicht runden Körper zu definieren - "das geht nicht. Schlanken Frauen wie Japanerinnen steht das großartig." Sein hämisches Lachen ließ mich nur ein "hidoi na" (das ist nicht nett) murmeln, doch ich fühlte mich klein und hilflos. Meine Schülerin versuchte, die Situation irgendwie zu retten, indem sie schlichtende Worte einwarf, doch es nützte nichts.

 

Es tut weh. Etwas in mir hat sich so sehr darauf gefreut, wieder in die Inaka von Aomori zurückzukehren, doch jetzt, wo ich hier bin, schreit mein Herz nach Osaka. Nicht wirklich nach der Stadt an sich, sondern nach den Leuten, mit denen ich dort meine Zeit verbringen durfte. Es war so schön von Freunden und lieben Menschen umgeben zu sein, freier zu sein. Warum ist das hier nur so anders?

 

Mein Einsatzstellenleiter (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) hat außerdem noch versucht, mir einzureden, dass es ja in Osaka viel besser sei. Ich habe mittlerweile verstanden, dass er mich weghaben will, doch für die letzten zwei Monate könnte er ja noch ein bisschen netter sein. Alle Menschen hier im Ort sind immer so freundlich zu mir, haben mich gerne um sich und wollen nicht, dass ich gehe. Meine Kollegin in der Schule meinte gestern zu mir: "Als du weg warst, haben die Kinder jeden Tag gefragt, wann du wieder kommst und ob du schon zurück nach Deutschland bist." Ich war so glücklich, das zu hören. Später kam ein Kind auf mich zu und fragte mich, wann ich zurück nach Deutschland gehe. Ich antwortete, dass es im August soweit sei, doch dass ich eigentlich gerne bleiben würde. "Dann geh doch nicht!", hat er dann zu mir gesagt. Ein Satz von einem Kind, der das Herz zum Tanzen bringt.

 

Was ist es nun, dass mich in dieses depressive Stadium versetzt? Ist es der Tsuyu-Wind, der einem den Kopf durchpustet? Der Fakt, dass ich hier wieder in langer Hose und Pullover aus dem Haus gehe? Ist es mein Einsatzstellenleiter (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*), der mit verletzenden Worten nur so um sich schmeißt, weil er noch immer sauer auf mich ist? Oder ist es das Herz, das in Osaka geblieben ist?

 

Ich weiß nicht, was es ist. Tief in mir drin habe ich Aomori mit all seinen Licht- und Schattenseiten lieben gelernt, doch dass mein Handy in der Mitte des Trips in Osaka den Geist aufgegeben hat, half mir, mich komplett zu distanzieren und einfach nur zu genießen, was alles passiert war. Nun, da ich wieder zurück bin, habe ich plötzlich das Gefühl, am falschen Fleck zu sein. Ich glaube allerdings stark, dass das mit meinem Einsatzstellenleiter (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) zusammen hängt, da das, was zwischen uns vorgefallen ist, nicht wieder gut gemacht werden kann. Dafür ist er zu nachtragend, auch wenn er so tut, als wäre es er nicht.

 

Anyways, ich musste diese Gefühle und Gedanken loswerden. An meinem letzten Tag in Osaka hatte ich so eine traumhaft schöne Zeit, über die ich unbedingt schreiben wollte, doch jetzt fehlt mir gerade die Muse. Ich möchte euch allerdings von all den schönen Dingen, die in dieser kurzen Zeit passiert sind, berichten. Allerdings werde ich dafür wohl noch eine Weile brauchen und auf die Fotos warten, die Freunde gemacht haben und mir zukommen lassen werden. Ich bin sicher, sobald ich hier wieder richtig angekommen bin und dann die Fotos sehe, werde ich in der Lage sein, über die schöne Zeit in Osaka zu schreiben.

 

Für alle, die meinen Blog lesen und mich nur bei WhatsApp haben: Da mein Handy tot ist und ich jetzt wieder mein altes Handy (nur WLAN) benutze, habe ich kein WhatsApp mehr. Ich bin dort also vorerst nicht mehr zu erreichen.

 

Liebe Grüße,
Jya matane,
Eure Eva


(NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*)  Erklärung:
Bei einigen Namen habe ich mich im Nachhinein entschieden, sie aus Privatsphäregründen nicht mehr direkt zu nennen. Auch wenn es sehr cringey ist, meine alte Schreibweise und teilweise unreflektierte Art über die Dinge zu urteilen ohne neue Bearbeitung lediglich überfliegen zu müssen, habe ich mich entschieden, die Gesamtheit der Artikel nicht zu verändern, um die Essenz jener Zeit zu bewahren.


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