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Why I personally don't like patriotism

Lauthals lache ich auf, als ich bemerke, dass ich auf der Spitze des Berges angekommen bin. Ein Gefühl der Euphorie übermannt mich und ich kann nicht anders, als über beide Ohren zu strahlen. Auch wenn das Wetter nicht das Schönste ist, so ist der Ausblick doch wundervoll. Der einfache Gedanke, die Spitze des Berges ganz alleine erreicht zu haben erfüllt mich komplett mit Genugtuung. Lächelnd wische ich mir den Schweiß von der Stirn und lasse mich auf einer der Bänke nieder. Zu meiner Linken zwei Raupen, die sich - so schnell sie eben können - aus dem Staub machen. Ich atme tief ein, setze meine Kopfhörer auf und lasse mich von der Musik und der Umgebung komplett einnehmen. Ich stehe auf und beginne zu tanzen. Auf der Spitze des Berges ist keine Menschenseele, außer Eva, und sie tanzt.

 

Auf meiner Wanderung durch den Berg Kouyama war ich allein, doch nicht einsam. Auf meinem Weg treffe ich an jeder Ecke einen Schutzgeist an, vor dem ich mich verneige. Zwischenzeitlich halte ich inne, um einen Baum und damit den ganzen Wald zu begrüßen. Der Baum bedankt sich bei mir, dass ich den ganzen Weg aus Deutschland hierhergekommen bin und nun ganz alleine durch einen Wald auf dem Berg wandere. Er sagt mir, wie mutig und stark ich bin. Ich bedanke mich bei ihm und mache mich weiter auf meinen Weg nach oben.

 

 

Zwischendurch mache ich Rast bei einem der Schutzgeister. Ich frage ihn, ob ich mich niederlassen darf und er gewährt es mir. Ich öffne meine Flasche Pocari Sweat (ein elektrolythaltiges Getränk) und trinke in einem Zug die Hälfte weg. Danach lasse ich mir noch mein Onigiri (Reisbällchen) munden und bedanke mich für die Gastfreundschaft. Der Schutzgeist sagt mir, dass ich auf meinem weiteren Weg auf mich Acht geben soll. Ich bedanke mich bei ihm und gehe weiter meines Weges.

Wenn mir eines klargeworden ist, dann dass ich einen Ort auf der Welt gefunden habe, an dem ich mich nicht wie ein Außerirdischer fühle. Und das, obwohl im Japanischen das Wort "gaijin" sowohl "Ausländer" als auch "Alien" heißt.

 

Auch klargeworden ist mir, dass ein Wanderweg wie dieser nur die Metapher des Lebens darstellt. Man kann sich niemals aussuchen, ob es nun bergauf oder bergab geht und anders als erwartet, ist auch bergab nicht unbedingt nur einfach. Es wird nicht ohne Grund gesagt, das Leben hat seine Höhen und Tiefen. Wichtig war der Moment, in dem ich oben auf dem Berg angekommen war, und mein Herz mit reiner Freude erfüllt wurde.

Nach allen Dingen, mit denen ich mich beschäftigt habe, beispielsweise die "Millenials", also meine Generation, die so sehr von Bestätigung aus sozialen Netzwerken abhängig zu sein scheint, ist mir über mich selbst Einiges klargeworden. In dem Moment, als ich auf dem Berg angekommen war, war ich alleine. Natürlich habe ich darüber nachgedacht, wie ich das später mit anderen Leuten teilen will, doch just in dem Moment wollte ich einfach nur die Glücksgefühle genießen. Ich hatte nicht das Bedürfnis, auf Facebook zu teilen, dass ich einen Berg bestiegen habe, und dann die Glückshormone durch Likes freizusetzen. Wer weiß, ob ich überhaupt die Anzahl an Likes bekommen hätte, die mich glücklich hätte machen können? Wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Das, was mich wirklich glücklich gemacht hat, war die Wanderung an sich, bei der ich meinen Gedanken freien Lauf lassen konnte.

 

Als ich den Berg mit seinen Schutzgeistern und der Ruhe hinter mir ließ, landete ich am Meer. Dort traf ich einen Opa, den ich von der Schule kenne, da er seinen Sohn oft vom Hort abgeholt hat. Wir haben eine kurze Konversation, bevor ich weiter meines Weges in Richtung Meer gehe. Dort angekommen setze ich mich und höre den Möwen beim Schreien zu, genieße das Meeresrauschen und lausche auf meine innere Stimme, die mir etwas zu sagen scheint.

 

"Es ist schön, endlich angekommen zu sein."

 

In meiner Kindheit habe ich meine Mutter oft gefragt, warum sie mich auf diesem Planeten geboren hat. Ich wünschte, sie hätte mich auf einem anderen Planeten geboren, da ich mich immer so fehl am Platz fühlte. Egal, wo ich mich aufhielt, ich schien immer anzuecken. Hier, am Meer sitzend, wurde mir bewusst, dass es nicht der Planet ist, der für mich den falschen Ort symbolisiert. Ich wurde einfach nur auf dem falschen Platz auf der Erde geboren und habe nun den Ort gefunden, an den ich wirklich gehöre.

 

Und deshalb macht Patriotismus keinen Sinn für mich. Warum sollte ich stolz darauf sein, an einem Ort auf der Erde geboren zu sein, an dem ich mich nicht mal zuhause fühle? Hier in Japan werde ich immer eine Fremde sein, und doch fühle ich mich weniger fremd als in meinem "Heimatland". Bevor ich die Reise nach Japan angetreten bin, gab es in meinem Herzen immer eine Stimme, die mir sagte, dass ich nach Japan gehen muss. Ich verstand damals nicht, warum, aber heute verstehe ich es. Ich gehöre hier her.

 

Jya matane,
Eure Eva

 


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