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Wake me up when November ends

Der November steht vor der Tür und egal, wie viel ich über jedes einzelne Detail nachdenke und versuche, zu planen, was zu planen geht, ich fühle mich dennoch überfordert mit der Realität, die mich erwarten wird. Keine Planung dieser Welt kann mich vor diesem ereignisreichen Monat in Ruhe versetzen, denn im Endeffekt wird es einfach geschehen. So viele aufregende Ereignisse - mehr als eine Fortsetzung von Netflix-Serien, die ich mag. Und ganz zu Schweigen von der Neuerscheinung der neuen Pokémon-Generation. Ja, wirklich ein aufregender Monat, der November...

 

... logischerweise sind all dies die Dinge, für die ich im November höchstwahrscheinlich keine Zeit finden werde. Noch immer kann ich nicht fassen, dass mich meine Mutter besuchen kommen wird. Nicht nur, dass es ihr erstes Mal in Japan sein wird, es ist auch das erste Mal in mehr als drei Jahren, dass wir einander zu Gesicht bekommen. Diese Aufregung und Vorfreude ist von allen möglichen Gefühlen intensiviert - natürlich freue ich mich, gleichzeitig bin ich auch in Sorge, dass es ihr hier nicht gefällt oder sie sich nicht zurechtfinden wird. Ich habe Angst davor, dass wir nicht zueinander finden, nachdem wir so lange voneinander getrennt waren. Außerdem habe ich Angst, dass all die Dinge, die im November passieren werden, dafür sorgen, dass ich auf Autopilot schalte und erst realisiere, was alles passiert ist, wenn es vorbei ist und ich es gar nicht richtig genossen habe.

 

Ich habe den Eindruck, dass der November in diesem Jahr der ereignisreichste Monat des ganzen Jahres für mich werden wird. Meine Mutter kommt zu Besuch, sie verbringt ihren Geburtstag hier mit uns, wir fahren gemeinsam nach Aomori, dann geht es nach Shimane und zuletzt noch ein Ausflug nach Kyoto und Osaka mit meinem Bruder und seiner Partnerin. Nach der Verabschiedung steige ich dann in einen Nachtbus, der mich von Osaka nach Tokyo befördert, wo ich dann den 2. und 3. Dezember noch habe, um mich auszuruhen und eventuell noch einmal all das Gelernte locker zu überfliegen, denn am 4. Dezember versuche ich mich erneut an dem JLPT N2. Eine Woche nach meiner Hochzeit, die ja, auch noch im November ansteht. Was für ein wahnsinniger Monat.

 

Wie vermutlich fast jede Frau habe ich großen Respekt vor der Hochzeit, die uns erwartet. Bisher gab es einige Stolpersteine, die in der Organisation mit meiner Familie mehr unangenehme Situationen als Vorfreude hervorriefen. Aber was kann ich schon machen? Ich kann nur hoffen, dass an dem Tag der Hochzeit alles soweit glatt läuft, dass die wenigen Teilnehmer meiner Familie dies nicht als eine "japanische traditionelle Hochzeit" betrachten, sondern versuchen, zu sehen, dass es sich einfach nur um meine Hochzeit handelt. Ja, dies schließt eine Shinto-Zeremonie mit ein, aber als traditionell japanisch bezeichnen sollte man das nicht. Buddhistische Hochzeiten, wenn auch rar, fallen ebenfalls unter den traditionell japanischen Schirm und sind trotzdem ganz anders. Genauso wie eine Hochzeit in weiß in der Kirche auch nicht prinzipiell traditionell deutsch ist, sondern eben einfach nur die nach den eigenen Wünschen ausgerichtete Hochzeit, die eventuell eine christlich orientierte Zeremonie im Mittelpunkt hat.

 

Ich habe Angst, dass meine Familie alles als eine Farce betrachtet, dass sie im Nachhinein in Deutschland kulturelle Unterschiede mit meiner Schwiegerfamilie als "komisch" betiteln oder sich in ihren privaten Kreisen über die Erfahrung lustig machen. Ich kann nur hoffen, dass sie ihre Herzen für die Erfahrung öffnen und sich so willkommen fühlen, wie ich mich in Japan immer fühle. Ich hoffe, dass sie heimkehren und innerlich verstehen können, warum ich mich dafür entschieden habe, diese Kultur und dieses Land zu meinem Zuhause zu machen. Leider kommt mein Bruder erst eine Woche vor der Hochzeit und wird bis auf die Hochzeit lediglich die klassische Touri-Erfahrung machen, aber wenigstens bei meiner Mutter habe ich die Chance, mit ihr den Alltag zu verbringen und ihr ein Japan außerhalb von Tokyo/Kyoto/Osaka zu zeigen. Mein Ziel ist es, dass sie am Ende denkt "Ja, Kyoto war schon schön, aber Aomori war echt irgendwie was Besonderes". Wünscht mir viel Erfolg!

 

Obwohl ich mich auf die Shinto-Zeremonie freue, ist auch etwas in mir, das einfach nur will, dass endlich alles vorbei ist. Die ganze Planung und der damit verbundene Stress, das mehr als einmal mit meiner Familie Aneinandergeraten, das Gefühl, nicht gut genug zu sein, die Angst davor, an diesem einen, wichtigen Tag in meinem Leben nicht das Zentrum zu sein, weil irgendetwas anderes mir die Show stehlen wird, all diese Gefühle arten in Negativität aus, die mir das Atmen schwer macht. Es gibt einen Teil in mir, der sich wünscht, dass die Erscheinung des neuen Pokémon-Spiels mein größtes Highlight für den November darstellt. 

 

Ich werde mir die größte Mühe geben, den Moment zu genießen und die Zeit, in der meine Mutter da ist, nicht allzu sehr als Stressfaktor zu sehen. Das ist leichter gesagt als getan, aber wie ich bereits zu Beginn dieses Blogeintrags erkannt habe, gibt es keine Planung der Welt, die mich wirklich auf den November vorbereiten könnte. Ich muss es einfach auf mich zukommen lassen, mit all seinen Stolpersteinen und schönen Momenten und negativen Emotionen. Ich freue mich auf jeden Fall darauf, im November für ein paar Tage nach Aomori zu fahren, was ich normalerweise nicht tue - und vor allem nicht ohne den Mann. Ich werde zwar nicht alleine sein, aber es ist schon komisch, ohne meinen lieben Partner zu seinen Eltern zu fahren. Das wird eine interessante Erfahrung!


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