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Die ersten Eindrücke

Der Flug und das danach

Der Flug ist lang und anstrengend. Auf dem Weg zum Flughafen habe ich meinen ersten Sonnenaufgang gesehen. Ich bin um 7:00 Uhr morgens in Berlin Tegel losgeflogen. Um 8:50 Uhr landete mein Flieger in Paris und von dort ging es dann um 10:05 Uhr weiter nach Tokyo. Als wir 5:50 Uhr in Tokyo landeten, habe ich meinen zweiten Sonnenaufgang gesehen. Schlaf habe ich dazwischen nicht bekommen und war dadurch nach meiner Ankunft sehr erschöpft. Mein Anschlussflug nach Aomori kam erst 10:30, obwohl ich auch einen früheren geschafft hätte. Na ja, sicher ist sicher und es konnte ja keiner wissen, dass ich so schnell aus dem Flugzeug, durch die Kontrolle und zum anderen Terminal finde. Da saß ich dann rum und da es ein Domestic Terminal war, habe ich hier zum ersten Mal gespürt, wie es sich anfühlt, ein Ausländer zu sein. Überall um mich herum waren nur Japaner und ich bin insgesamt nur ein einziges Mal von einem Pärchen angelächelt worden. Ein hartes Stück Arbeit für jemanden wie mich. Aber da wusste ich ja noch nicht, was mich in meiner Einsatzstelle erwarten würde.

Mein Einsatzstellenleiter (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*), erwartete mich um 11:45 Uhr am Flughafen Aomori. Vollbepackt stapfte ich neben ihm her, bis er mir nach einer Weile einen Koffer abnahm. Sofort sprach er Japanisch mit mir und schon zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich etwas überfordert. Es war jetzt 12 Uhr OT (5:00 Uhr in Deutschland) und somit war ich schon ganze 24 Stunden wach ohne eine Minute Schlaf. Er sagte, dass er mich verstünde und nur noch etwas mit mir essen gehen wollte. Ich verheimlichte, dass ich bereits am Flughafen in Tokyo etwas gegessen hatte und ließ mir eine Mahlzeit Soba mit Sashimi und anderen Beilagen schmecken. Dabei haben wir uns aus einem Gemisch aus Japanisch, Englisch und Deutsch unterhalten.

Danach sagte er mir, aufgrund meiner ständigen Gähn-Anfälle, dass wir gleich nachhause fahren würden. Dann zückte er allerdings sein Handy aus der Tasche, noch bevor er ins Auto stieg. Da ich in ebenjenem schon drin saß, beugte er sich zu mir und fragte mich euphorisch, ob wir nicht noch an dem Kindergarten vorbeifahren wollen, in dem ich arbeiten werde. Ich war mehr als 24 Stunden wach, hatte drei Flüge hinter mir, habe gestunken wie ein Stinktier und wollte nur endlich in meinem neuen Zuhause ankommen. Da ich nicht wirklich eine richtige Antwort gegeben habe, wählte er bereits auf seinem Handy die Nummer. Vollkommen glücklich stieg er ins Auto und sagte mir, dass wir dort jetzt hinfahren und ich einfach auf der Autofahrt schlafen soll. Mir blieb nichts anderes übrig als einzuwilligen, was mich ehrlich gesagt in diesem Fall sehr überforderte. Ich glaube allerdings, dass er gar nicht realisiert hat, wie erschöpft ich wirklich war. Habe aber sozusagen gleich am ersten Tag eine Prise von dem bekommen, was alle über ihn (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) zu mir gesagt haben. Um dem Jet-Lag so gut es geht entgegenzuwirken, habe ich mich bis zum Abend hin wachgehalten. Nachdem er (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) mich endlich in der Unterkunft abgesetzt hatte, fing ich erst mal an, zu putzen und umzuräumen. Mein Zimmer war sehr unordentlich, ungemütlich und schmutzig. Dadurch war das lange Wachhalten ein Kinderspiel. Ich beschäftigte mich erst einmal nur damit, alles umzuräumen und sauberzumachen. Am nächsten Tag habe ich erfahren, dass einmal die Woche eine Frau (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) zum Putzen kommt, der es sehr leidgetan hat, dass sie nicht sauber gemacht hat. Da ich aber in solchen Fällen jemand bin, der einfach die Ärmel hochkrempelt und macht, statt zu meckern, fand ich es nicht schlimm. Trotzdem ist die Unterkunft ganz anders, als ich sie mir vorgestellt habe. Eine Roomtour folgt.

Später habe ich dann noch mit Ellen und Isabel - zwei Freiwillige - und meiner besten Freundin geskypt. Das hat sehr gutgetan, aber durch die extreme Übermüdung und generelle Unzufriedenheit konnte mich nichts so wirklich glücklich stimmen.
In der Nacht bin ich um 0:10 Uhr aufgewacht (Deutschland OT 17:10 Uhr) und konnte bis kurz vor 4:00 Uhr (Deutschland OT 21:00 Uhr) nicht mehr einschlafen. Blöder Jet-Lag.

Der erste Tag

Um 8:00 Uhr wollte mein Einsatzstellenleiter (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*), dass ich da bin. Da ich im Vornehinein gehört habe, dass Pünktlichkeit für ihn unsagbar wichtig ist, stand ich um 7:58 Uhr in seinem Flur. Nur leider war er noch nicht fertig *lach*. Also wartete ich, bis er mich hereinbat und setzte mich mit ihm an den Tisch. Wir versuchten, einige organisatorische Sachen zu besprechen, doch mir war vor Hunger so schlecht, dass ich ihm nur schwer folgen konnte. Meine letzte Mahlzeit hatte ich am Tag davor mit ihm gemeinsam gegen Mittag zu mir genommen und ich wusste ja nicht, wo der nächste Conbini ist. Ich konnte mich in diesem Moment nicht in Zurückhaltung üben und bat ihn, mir eine Kleinigkeit zu Essen zu geben. Mit einem Apfel konnte er mich schon überglücklich machen, denn auf leeren Magen ist Obst sowieso das Beste.

Nachdem wir mit einem gebrochenen Mix aus Deutsch, Englisch und Japanisch versucht haben, die wichtigen Dinge zu klären - was mehr oder weniger erfolgreich war - stiegen wir zusammen aufs Fahrrad und fuhren in die "Stadt". Zunächst mussten wir zu einem Fahrradladen, denn auf meinen Reifen war keine Luft mehr (mein Fahrrad scheint generell aus dem 19. Jahrhundert zu stammen :-P). Beim Fahrradladen habe ich zum ersten Mal zu spüren bekommen, wie es ist, wenn vor deiner Nase schlecht über dich geredet wird. Um die Reifen aufzupumpen, muss man für 100 Yen (etwa 88 ct, Stand 27.09.16) eine kleine Maschine bedienen. Der Schlauch, durch den die Luft mit sehr viel Druck in das Fahrrad gepumpt wird, lag auf dem Boden und mein Einsatzstellenleiter (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) war so nett, meine beiden Reifen aufzupumpen, während ich das Fahrrad gehalten habe. Der Fahrradhändler war im Gegensatz zu anderen Dorfbewohnern, die ich bisher getroffen habe, etwas unfreundlich und tat ein bisschen so, als wäre ich Luft. Als mein Einsatzstellenleiter (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) fertig war mit dem Aufpumpen, warf er den Schlauch dorthin zurück, wo er auch schon vorher gelegen hatte. Daraufhin wies ihn der Fahrradhändler an, den Schlauch doch bitte vorsichtig einzurollen und an einen Haken zu hängen. Japaner machen das so. Deutsche schmeißen den Schlauch zur Seite, Japaner machen das ja ordentlicher. Das hat er gesagt, während ich neben ihm stand und ich bin mir fast sicher, dass das nicht die einzige Unannehmlichkeit sein wird, die jemand über mich in meinem Beisein sagt. Ausländer sein ist echt was Komisches. Ich verstehe mehr, als sie denken und sage weniger, als sie möchten. Wir werden sehen, wie das weiter verläuft.

Danach sind wir ein bisschen durch die Stadt gefahren. Er (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) zeigte mir alle wichtigen Standorte - die Post, die Bank, das Bürgeramt (oder das Dorfamt für alles, denke ich mal), eine kleine Bäckerei, den Bahnhof, den Weg zum Kindergarten, den Conbini und den Supermarkt mit Baumarkt und Drugstore (sowas wie eine Apotheke, in der man aber auch viel anderes Zeug bekommt). Beim Fahren sind wir an Tempeln und Schreinen vorbeigekommen, die in mir ein wehmütiges Gefühl ausgelöst haben. Das Grundstück von dem Einsatzstellenleiter (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) ist einfach ganz anders, als man den japanischen Stil von einem buddhistischen Tempel gewöhnt ist. Das liegt vermutlich auch daran, dass er (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) recht vernarrt ist in die westliche Kultur, was vermutlich unsere größte Gemeinsamkeit darstellt. Er liebt Deutschland und ich liebe Japan.

Nach dem Mittagessen, dass ich freundlicherweise mit ihm (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*) gemeinsam zu mir nehmen durfte (das war die erste richtige Mahlzeit, die ich seit dem Mittagessen am Tag davor bekommen habe), bin ich in den Supermarkt gefahren. Bei seiner (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*)  Einführung in die Stadt Kominato erzählte er mir, dass hier nur eine einzige Ausländerin lebt. Sie ist Amerikanerin und wohnt nicht weit von hier - als wir sie besuchen wollten, war sie jedoch nicht zuhause. Dass ich die einzige Ausländerin neben dieser Amerikanerin bin, habe ich im Supermarkt sehr zu spüren bekommen. Natürlich hat es eine Ewigkeit gedauert, bis ich mich zurechtgefunden habe und dann habe ich letztendlich doch 7660 Yen (etwa 68€, Stand 27.09.16) dagelassen. Obst und Gemüse ist hier unfassbar teuer, aber ich musste einfach ein paar Sachen kaufen, damit ich endlich nicht mehr davon abhängig bin, wann mir jemand etwas zu Essen vorsetzt und wann nicht.

Nun sitze ich hier und habe meinen ersten richtigen Blogeintrag verfasst. Draußen regnet es jetzt und seit meiner Ankunft ist es hier auch generell recht grau (wenn auch noch erstaunlich warm). Ich habe aus meinem Fenster heraus gesehen, wie auf dem Grundstück ein Haufen Leute von dem Gebäude, was vermutlich der Tempel ist (ich war noch nicht dort drin), zu den Gräbern gegangen sind. Da sie alle in schwarz gekleidet waren, vermute ich, dass es sich um eine Beerdigung gehandelt hat.

 

Dickes Pro: Ich habe eine super stabile Wlan-Verbindung. :-P

 

 

Bis bald,
Eva


 (NACHTRÄGLICH GEÄNDERT*)  Erklärung:
Bei einigen Namen habe ich mich im Nachhinein entschieden, sie aus Privatsphäregründen nicht mehr direkt zu nennen. Auch wenn es sehr cringey ist, meine alte Schreibweise und teilweise unreflektierte Art über die Dinge zu urteilen ohne neue Bearbeitung lediglich überfliegen zu müssen, habe ich mich entschieden, die Gesamtheit der Artikel nicht zu verändern, um die Essenz jener Zeit zu bewahren.


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